Am Montag den 29. Juni finden im Paulussaal die ersten Prozesse wegen der Besetzung der Gilgenmatten 28 im Oktober 2019 statt. Unterstützer*innen der Angeklagten rufen ab 8:15 unter dem Motto „Frühstücken gegen Repression“ zu einer Kundgebung vor dem Gericht und zur Prozessbegleitung auf.
Der folgende Text fasst die Geschehnisse rund um die Besetzung und die Räumung noch einmal zusammen.
Das Haus zum Zeitpunkt der Besetzung…
…ist jetzt nur noch ein Loch.
Aktionstage gegen Wohnungsnot und Kulturfeuerwerk
Am Abend des 21. Oktober besetzte eine Gruppe von 70 Menschen ein Haus in Weingarten im Rahmen der Squatting Days. Die Squatting Days waren selbstorganisierte Aktionstage mit dem Ziel auf die Probleme auf dem Wohnungsmarkt in Freiburg und darüber hinaus aufmerksam zu machen.
Parallel feierte das Autonome Zentrum KTS seinen 25. Geburtstag mit der „Autonomen Kulturwoche“ mit zahlreichen Konzerten, Vorträgen, Kundgebungen und künstlerischen Interventionen.
Am Sonntag, den 20.Oktober wurde die ehemalige Polizeiwache der Gewerbe- und Umweltpolizei in der Fehrenbachallee 52, wie schon ein halbes Jahr zuvor, besetzt. Nachdem die Gebäude am Montagnachmittag mit Einsatz von SEK und Drehleiter der Feuerwehr geräumt wurde, folgte am Abend danach eine weitere Besetzung in den Gilgenmatten. Das Mehrfamilienhaus mit der Nummer 28 stand zu diesem Zeitpunkt seit vier Jahren leer und gehört einer Medizinerin aus Wetzlar. Sie hatte den letzten drei Familien gekündigt, wurde dann aber angeblich durch fehlende Genehmigungen ausgebremst.
Ungehorsame Kultur in Weingarten
Durch ein Konzert bei Kerzenschein des US-amerikanischen Liedermachers David Rovics sollte die „Gilge“ an diesem Abend wieder zum Leben erweckt werden. Trotz der späten Stunde zeigte sich einige Nachbar*innen solidarisch und begrüßten die Besetzung des langjährigen Leerstandes. Eine Aktivistin formulierte in der damaligen Pressemittelung das Anliegen der Besetzung wie folgt: „Verdrängung, Spekulation mit und Profitmaximierung durch Wohnraum und Gentrifizierung sind kein lokales, sondern ein strukturelles Problem. Staatliche oder städtische Lösungen der Wohnraumfrage sind oft unzureichend und gehen nicht an die Ursache des Problems. Deshalb müssen wir das nun selbst in die Hand nehmen und deshalb wird dieses Haus absofort selbstverwaltet und basisdemokratisch von uns bewohnt“.
Kurze Zeit später war die kleine gemütliche Oase, aber passé. Die Polizei fuhr mit mehreren Mannschaftswägen und Hundestaffel vor. Eine Person, die vor den anfahrenden Autos stand wurde festgenommen und wegen Nötigung angezeigt. Viele Menschen aus dem Haus sammelten sich davor, wurden jedoch von der Polizei weggedrängt und mit Platzverweisen belegt. Gesprächsangebote der Aktivist*innen schlugen die aggressiv auftretenden Polizisten systematisch aus. Wollten die Supporter*innen sich dem Gebäude auf Sicht- oder Hörweite nähern, wurde ihnen von den Polizist*innen Haft angedroht.
Die Behörden verhinderten zahlreichen Menschen den Zugang zu ihren Fahrädern in der Nähe des Hauses. Einige mussten auch feststellen, dass am Tag danach die Reifen ihrer Fahrräder platt waren.
Nächtliche Räumung und Polizeigewalt
Die Polizei umstellte das Haus. 13 Akivist*innen waren im Haus geblieben und von der Polizei vom Rest der Menschen getrennt worden. Es schien als wolle die Polizei am nächsten Morgen räumen. Doch gegen drei Uhr in der Nacht rammte die Polizei mit einem Rammbock die Tür ein. Die Besetzer*innen berichteten von einer äußerst einschüchternden Situation. Die Polizei setzte Hunde im Inneren ein, deren Geheul durch das Haus drang. Widerstandslos ließen sich die Besetzer*innen festnehmen, trotzdem wurden drei von Ihnen mit auf die Wache genommen und erst am Morgen freigelassen.
„Es enttäuscht mich und macht mich wütend, dass wir nicht mal die Möglichkeit bekommen, zu zeigen, wie wir Räume gestalten und nutzen würden. Und es war wahrscheinlich strategisch sinnvoll, nachts zu räumen, um die Öffentlichkeit fern zu halten. Doch das wird uns nicht aufhalten. Wir werden den Druck weiter erhöhen, sodass niemand mehr wegsehen kann“, äußerte sich eine Aktivistin am Dienstag in einer Pressemitteilung.
Weiter machen!
Wenige Tage später, am Donnerstag während der Nachttanzdemo „gegen Rechtsruck und Repression“ wurde die Gilge ein zweites mal symbolisch besetzt. Als die Polizei vorfuhr, war aber schon niemand mehr im Haus.
Auch im Nachhinein wurde mit den Anwohner*innen mit Flyern Kontakt aufgenommen, um über die Hintergründe zum Haus und Aktionen gegen Wohnraummisere zu informieren.
Inzwischen wurde das Haus abgerissen, seitdem ist nichts mehr passiert. Stattdessen klafft in den Gilgenmatten ein großes Loch. Erneut wurde über Jahre mit dem Boden spekuliert – ungestraft kann ein brauchbares Gebäude dem Erdboden gleichgemacht und das Kapital vermehrt werden . Mitten in Weingarten – entgegen den Bedürfnissen der Bevölkerung.
Solidarität mit der Besetzungskampagne!
Nun findet der erste Prozesse vor dem Jugendgericht statt. Sechs der 13 Menschen werden gemeinsam am Montag früh auf der Anklagebank sitzen. Ihnen wird Hausfriedensbruch vorgeworfen.
„Statt nun die Schaffung von sozialem Wohnraum mittels einem Zweckentfremdungsverbot einzufordern, stellt die Justiz die vor Gericht, die auf dieses Problem aufmerksam gemacht haben. Dieses Vorgehen zeigt sich nicht nur auch im kürzlich vorgelegten Verfassungsschutzbericht: Das Ziel ist legitimen Protest zu kriminalisieren um die bestehenden Verhältnisse zu stützen. Die Ordnungswidrigkeiten und Taten der Hausbesitzer*innen Wohnraum verkommen zu lassen werden heruntergespielt, obwohl sie weit schädlicher für das Gemeinwohl sind, als die der Hausbesetzer*innen“, so die Unterstützer*innen im Aufruf zur Prozessbegleitung.
„Wir werden dies nicht einfach hinnehmen, sondern den Prozess begleiten und kommentieren. Diese Prozesse sind ein Schlag ins Gesicht derer, die sich für Wohnraum jenseits von Proft einsetzen. Nur gemeinsam können wir dem begegnen“, so eine Aktivistin.